Lehrveranstaltung im 5. feministischen Lehrgang 2022


von Ulrike Reiche

Jolanda Spiess-Hegglin ist dabei Mediengeschichte zu schreiben: Das Kantonsgericht Zug hat in der vergangenen Woche ihre Klage betreffend persönlichkeitsverletzender Artikel der damaligen Blick-Kampagne gutgeheissen.

Der Weg zur Berechnung der digitalen Gewinnherausgabe und somit der Systemänderung ist damit geebnet. Expert*innen gehen davon aus, dass diese Entscheidung Konsequenzen für den Boulevard-Journalismus im gesamten deutschsprachigen Raum haben wird. Insbesondere ist das #clickbait-Geschäftsmodell, das auf persönlichkeitsverletzende Berichterstattung setzt, damit in Frage gestellt.

Das Engagement von Jolanda, das u.a. zur Gründung von NetzCourage geführt hat, stand im Mittelpunkt der Lehrveranstaltung am 25. Juni.

Die Teilnehmerinnen aus der Schweiz und aus Deutschland erfuhren aus erster Hand, wie sich dieser Fall in den vergangenen Jahren medial entwickelt hat. Die Fokus lag dabei auf der bestehenden Dynamik in den Print- und Online-Medien und in der Folge auf Social Media. Die zentrale Erkenntnis: Digitaler Hass summiert sich nicht – er multipliziert sich! So finden sich in unmoderierten Kommentarspalten bis heute Beiträge von Wutbürger*innen, die sie vor Jahren absetzten. Häufig kommt es sogar vor, dass derjenige, der für Taten belangt wird, zum aggressiven Stalker wird.

Neben diesem Cyber Stalking kommen auch anonyme Attacken per Briefpost vor. Doch immer wieder zeigt sich, dass die Hemmschwellen in der digitalen Welt noch schneller fallen. Es braucht daher spezifisches Knowhow, z.B. Recherchekenntnisse, über Netzwerke und Zusammenhänge, Beziehungsstrukturen etc., um wirksam gegen derartige Angriffe vorgehen zu können.

Neben den bestehenden Strukturen waren grundlegende Definitionen ein wichtiges Thema:

  1. Satire tritt nach oben, kritisiert Machtinhaber*innen und Personen in Entscheiderpositionen.
  2. Hatespeech hingegen tritt nach unten, zielt auf Minderheiten, Menschen in schwächeren Positionen. Sie kann auch als verbaler Ausdruck von Rassismus beschrieben werden.
  3. Bei Hatespeech gegen Frauen* geht es im Gegensatz zu Männern, oft um die sexuelle Komponente, den Körper. So ist das Wort „Schlampe“ bereits strafbar, und kann angezeigt werden. Die Höhe der Geldstrafen hängen in der Schweiz davon ab, in welchem Kanton der Stalker ansässig ist.

Bis heute ist Netzcourage die einzige Beratungsstelle in der Schweiz zum Themenfeld digitale Gewalt:

#Netzcourage ist der erste und einzige Verein in der Schweiz, welcher sich aktiv gegen Digitale Gewalt stellt, diese aufarbeitet und mit der #NetzAmbulanz Betroffene unterstützt.

Zum Weiterlesen

Stellungnahme zum Entscheid des Kantonsgericht Zug auf Jolanda’s BLOG 

Ergänzender Kommentar von Matthias Zehnder

Recherche-Artikel von aus 2015 von Nadja Brenneisen, Republikation von Stefan Thöni 

Buchempfehlung:

Heinrich Böll: Die verlorene Ehre der Katharina Blum, Erstausgabe 1976

dtv-Verlag https://www.dtv.de/buch/die-verlorene-ehre-der-katharina-blum-1150

Lesenswert zum Hintergrund des Buches: https://www.boell.de/de/content/die-verlorene-ehre-der-katharina-blum-1974